• Hubl Greiner, Interview

Wer hört eure Musik? Wer ist bereit sich in dieses Labyrinth zu begeben?

Wir sprechen ganz unterschiedliche Leute an. Das liegt vor allem daran, daß wir uns immer wieder neuen Themen widmen. Vor 4 Jahren haben wir uns intensiv mit populärer Musik beschäftigt, woraus die CD "Chat" entstanden ist.

"Chat" ist eine skurrile Mischung aus Pop, Soul, R&B und Trip Hop mit Lisa Cash, der ehemaligen Sängerin von Consolidated, einem DJ, einem Harfespieler, einem Oboisten, filigranen Beats und den fremdartigen Gitarrensounds von Luigi Archetti.

Dann kam "Cubic Yellow", eine ziemlich schräge CD, mit extrem ungewöhnlichen Sounds. Die Idee für das Album kam 1995 in der Roten Fabrik in Zürich, wo wir im Rahmen eines Filmfestivals drei Frühwerke von Roman Polanski, live vertonten. 1998 entschlossen wir uns, die Soundtracks zu diesen Filmen als Basis für die HULU PROJECT CD Cubic Yellow zu verwenden. Im Frühjahr 1999 wurden die Soundtracks dann mittels verschiedenster elektronischer Apparatur (Sampler, Computer, Synthesizer, preparierte elektrische Gitarre, usw.) intuitiv und improvisatorisch weiterentwickelt und eingespielt.

Schritt für Schritt enstanden Klangräume, die immer wieder berarbeitet, übereinandergelegt, zerschnitten, anders plaziert oder durch Loops zum wiederholen animiert wurden. Auch die Gitarrenklänge wurden vermischt und extrem verfremdet. Wir haben eine Vorliebe für alles Neue in der Musik, so geht Cubic Yellow auch sehr in den Bereich Freestyle Electronica, Am- oder Illbient, Dub, Drum n Bass und wie die Stile auch immer genannt werden.

"Hulu Project feat. Stepanida TranceSiberia" wurde wieder hauptsächlich mit akustischen Instrumenten eingespielt, obwohl auch hier die Gitarrenklänge zum Teil extrem verfremdet wurden und manchmal auch synthetisch klingen. Zuerst hatten wir versucht das Projekt getrennt zu entwickeln, über die enorme Distanz zwischen Bodensee und Yakutien, über Internet und auf dem Postweg. Aber bald mußten wir feststellen, daß das ein unmögliches Unterfangen war, da zum einen die Tapes immer erst nach etwa 3 Monaten am Zielort ankamen und zum anderen der kulturelle Unterschied so groß war, daß wir ohne eine direkte, gemeinsame Absprache nichts entscheiden wollten.

Wir beabsichtigten nicht, die tausendste CD zu produzieren, bei der exotische Stimmen gesampelt und per Knopfdruck auf westliche Beats gesetzt werden, (obwohl das auch spannend sein kann), sondern wir wollten einen Schritt in die andere Richtung gehen und mit der Zusammenarbeit zwischen Stepanida Borissova und dem Hulu Project einen Bogen spannen, von traditionellen, mythischen Erzählungen, rituellen Zeremonien bis hin zu modernen, urbanen, westlichen Formen. So entschlossen wir uns, gemeinsam an der CD zu arbeiten.

Nachdem sich Stepanida nach einer Japan Tournee in Moskau aufhielt, schlug sie vor, für einige Tage nach Deutschland zu kommen. Ich besorgte ihr ein Visa und sie kam für 4 intensive Tage nach Deutschland. Die anfänglichen Sprachbarrieren, Stepanida spricht ausschließlich sakha und russisch, waren dank des Übersetzers, Harry Raiser, schnell überwunden. Ich denke TranceSiberia ist eine aussergewöhnliche CD geworden, die das aufregende, aber auch brüchige und widerspruchsvolle Spannungsfeld zwischen einheimischen Traditionen und globalisierter Zivilisation und Technik auslotet.

Eine CD, die zwischen vielen Stühlen sitzt und unzählige Berührungspunkte zwischen traditioneller Musik, Ethno oder Weltmusik, Jazz, Trance, Ambient, Rock, Breakbeat, zeitgenössischer Musik usw. aufzeigt. Wir haben ja inzwischen viel Übung im "zwischen den Stühlen sitzen", daß wir dort auch nicht so leicht herunter fallen.

In welche Kategorien kann man eure Musik einordnen?

Die Presse bezeichnet unsere Musik immer unterschiedlich. Wir sagen dazu einfach "Radical Music". Jedes unserer Projekte hat eben ein völlig anderes Thema und beinhaltet viele unterschiedliche Kategorien, was es nicht leicht macht, eine generelle Definition zu geben.

Welches Konzept liegt eurer Musik und euren CDs zugrunde?

Wir haben ein organisatorisches Konzept, aber sicher kein überall anwendbares musikalisches. Wir wissen nicht was morgen passiert. Vielleicht kommt einer von uns morgen von einer Reise zurück und hat komplett neue Ideen. Wir arbeiten mit ganz unterschiedlichen Methoden. Das Projekt lebt von der Spannung der unterschiedlichen Themen und auch von den Persönlichkeiten der unterschiedlichen Gastmusiker. Es kommt so zu immer neuen Konfrontationen. Gute Musik ist für mich meistens das Resultat aus Erfahrung, Wissen, Intuition, aber auch dem Risiko.

Seid ihr mit euren Ergebnissen zufrieden?

Wir stehen auf unsere Projekte, aber wir sind nie zufrieden, zumindest nicht im Sinne von .... das ist jetzt fertig ... hinsetzen und ausruhen... Wenn ein Projekt abgeschlossen ist, kocht das Nächste schon in den Adern ... und die Unzufriedenheit ist eine wichtige Triebfeder.

In eurer Musik scheint ein spezielles Verhältnis zur Tradition eine entscheidende Rolle zu spielen.

Ich glaube, daß Traditionen sehr entscheidend sind, in deinem Verhalten als Mensch anderen Menschen gegenüber, dir selbst gegenüber, oder in deinem Ausdruck als Musiker oder Bauarbeiter... Das spiegelt sich immer in dem Verhältnis zur "Kunst" wieder. Das Spannendste in der Musik heute, ist für mich die Begegnung von Innovation und Tradition, egal wie auch immer.